Sympathikus und Parasympathikus
Störungen des Craniomandibulären Systems werden nicht nur über Fehler auf den Kauflächen der Zähne ausgelöst, auch emotionale Faktoren, wie z.B. Stress sind Auslöser einer CMD und wirken auf das zentrale Nervensystem (Gehirn) sowie auf das vegetative Nervensystem.
Interview mit meinem Psychiater:
Dr. Staab
1) Frage: Wie würden Sie die Ursachen von einer CMD aus Ihrer Sicht erklären?
Antwort: Dr. Staab: Die Entstehung einer CMD hat zwei Ursachen, zum einen einen psychologischen und zum anderen einen muskulären Auslöser.
a) Psyche: Der akute oder schon chronische Stress durch Überarbeitung oder Kummer hat so zugenommen, dass das ganze System Körper rebelliert und eine Stressantwort (CMD) hervorkommt. Ist der akute Schmerz nur temporär, kann eine CMD wieder verschwinden. Wird sie jedoch chronisch und der Patient entwickelt dazu noch eine Depression, manifestiert sich die CMD auch im Körper.
b) Muskuläre Komponente: Die Muskulatur hat verlernt, sich wieder im Ruhezustand zu entspannen. Vor allem nachts schafft der Körper es nicht mehr, die Muskeln zu relaxieren.
Als erste Hilfe bietet sich eine psychologische Gesprächstherapie und die Gabe von Magnesium.
2) Frage: Haben Sie außer mir auch weitere CMD-Fälle bei sich in der Praxis?
Antwort: Dr. Staab: Viele Patienten kommen neben ihren psychischen Problemen auch wegen CMD-Beschwerden zu mir. Aus meiner Sicht korreliert eine CMD ganz eng mit der Psyche. Viele nutzten Aufbiss-Schienen, die eigentlich nicht viel bringen.
3) Frage: Wie gut konnten Sie ihren Patienten helfen?
Antwort: Dr. Staab: In der Medikamentösen Therapie gibt es oft ein Auf und Ab. Das hängt immer damit zusammen, welche Medikamente wir ausprobieren. Früher wurden ganz oft Muskelrelaxanzien verschrieben, die den Muskeltonus senken. Aber von diesem Ansatz ist man wieder weggekommen, weil man Muskelrelaxanzien nur begrenzt nehmen darf. Und außerdem führen sie zu einer Art Abhängigkeit.
Heute werden Medikamente auch nach dem Off-Label-Use verschrieben. Das bedeutet, dass ein Medikament eigentlich für eine andere Erkrankung zugelassen ist, aber es trotzdem für die CMD verwendet wird.
Z.B. Lyrica ist ein entspannendes Medikament, dass primär für die generalisierte Angststörung verabreicht wird. Da es aber entspannend wirkt, kann man es auch für CMD-Beschwerden verwenden.
Im Ganzen kann ich meinen Patienten gut helfen, sodass die CMD-Beschwerden sich bessern. Aktuell wird zur Muskelentspannung Ortoton verschrieben. Das ist ein Wirkstoff, der für die Muskelentspannung genutzt wird, der aber kein Schmerzmittel ist. Es wird empfohlen, ihn nicht länger als 30 Tage einzunehmen.
4) Frage: Was läuft schief im Gehirn von CMD-geplagten Betroffenen?
Antwort: Dr. Staab: Bei einer CMD spielen insbesondere der Sympathikus und der Parasympathikus eine große Rolle. Sie sind Teil des vegetativen Nervensystems. Das vegetative Nervensystem ist ein autonomes Nervensystem und ist somit in der Lage, unseren Körper ohne bewusste Steuerung vom Gehirn unterschiedlichen Lebenslagen anzupassen.
Funktionell gesehen sind sie Gegenspieler: Während der Sympathikus den Organismus auf eine Aktivitätssteigerung („fight or flight“) einstellt, überwiegt der Parasympathikus in Ruhe- und Regenerationsphasen („rest and digest“) – vor allem nachts.
Der überhöhte Sympathikus wird hier ausgelöst durch große Anstrengung, emotionalen Stress oder starke Schmerzen. Die großen Muskeln stecken das mehr oder weniger gut weg, aber der Masseter (Kaumuskel) wird hier nachts, getrieben durch einen überhöhten Sympathikus, auf Hochspannung gesetzt. So kommt es zu den nächtlichen CMD-Beschwerden wie Zähneknirschen, Pressen, Kopfschmerzen am Morgen etc.
Weiter in der Diskussion steht das Serotonin-Transporter-Gen. Hiervon gibt es zwei Varianten. Das eine steht für die schlechte Anpassungsfähigkeit bei Stress und das andere für die Stressfreiheit bei großem Druck. Es kommt immer auf die Lebens-Situation an, welches Gen bei emotionalem Druck aktiviert wird. Das Stress-Gen kann, aber muss nicht aktiviert werden.
Wenn beispielsweise ein Manager das Gen für eine schlechte Anpassungsfähigkeit bei Stress hat, er aber sich nicht so viel aus dem Druck macht, kann es hier sein, dass das Gen gar nicht aktiviert wird.
Therapie-Optionen
Was in erster Linie ganz gut helfen kann, um den Stress wieder zu minimieren und den Parasympathikus zu aktivieren sind Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Atemtechniken, Selbsthypnose, Meditation, Yoga oder Feldenkrais.
Vielen Dank für das Gespräch!